Dienstag, April 30, 2024
 

Nestlé steigt in den Pharmaziesektor ein

Die Nestlé-Gruppe, die vor über 150 Jahren gegründet wurde, ist mittlerweile ein grosser Akteur in der Lebensmittelindustrie und besitzt über 2000 Marken. Mit einem Umsatz von über 87 Milliarden Franken im Jahr 2021 ist sie sogar der grösste Nahrungsmittelkonzern der Welt. Aber die Waadtländer Gruppe beschränkt sich nicht nur auf Joghurt, Kaffee, Schokolade und andere Leckereien: seit etwa zehn Jahren arbeitet die Gruppe an einem Image als Ernährungs-, Gesundheits- und Wellnessunternehmen, unter der Entität Nestlé Health Science.

In Anbetracht der Konjunktur hat Nestlé (wie andere Akteure der Lebensmittelindustrie auch) seine Prognosen für das jährliche Wachstum nach oben korrigiert: tatsächlich hat das Unternehmen das erste Semester 2022 mit einem organischen Umsatzwachstum von 8,1% und einem Umsatz von 45,6 Milliarden Schweizer Franken abgeschlossen (von denen 3 Milliarden von Nestlé Health Science generiert wurden). Obwohl die Waadtländer Gruppe bezüglich ihrer operativen Gewinnmarge angesichts der starken Kosteninflation vorsichtig bleibt, hat sie ihre Gesundheitsabteilung kürzlich ausgebaut und in diesem Halbjahr drei neue Marken zum Portfolio hinzugefügt: die amerikanische Marke Vital Proteins, Puravida aus Brasilien und The Better Health Company aus Neuseeland.

Neue Bedürfnisse identifizieren und in die Branche investieren

Nestlé Health Science (NHSc) definiert sich als Brücke zwischen der Nahrungsmittel- und der Pharmaindustrie. „Unser breit aufgestelltes Forschungsnetzwerk liefert die Grundlage für Produkte, die über die Ernährung ein gesunderes Leben ermöglichen“, so steht es auf der Webseite des Unternehmens. Dieses agiert mittlerweile als einer der wichtigsten Wachstumstreiber der Gruppe – insbesondere durch die steigende Nachfrage nach Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere solchen, die die Auswirkungen des Alterungsprozesses lindern sollen. „Immer mehr Menschen auf der ganzen Welt nehmen ihre Gesundheit selbst in die Hand und greifen zu Vitaminen, Mineralien, Kräutern und Ergänzungsprodukten, um einen Mangel auszugleichen oder zusätzliche Unterstützung zu bekommen“, erklärte Greg Behar, der Geschäftsführer von Nestlé Health Science in einer Pressemitteilung.

Im Jahr 2020 übrigens schuf die Firma einen ganz neuen Markt, indem sie eine Reihe an Lebensmittelprodukten auf den Markt brachte, die speziell für Senioren entworfen worden waren. Diese Instant-Produkte werden unter dem Namen Renutryl Energie® vertrieben und sollen die höheren Proteinbedürfnisse älterer Menschen abdecken. Vor Kurzem hat die Gesundheitsabteilung des weltweiten Marktführers der Nahrungsmittelindustrie ein Sortiment an Fruchtdrinks (Clinutren® und Renutryl®) entworfen, um Mangelernährung entgegenzuwirken und die Flüssigkeitsversorgung zu verbessern Insgesamt bietet Nestlé heute also ein breites Spektrum an Produkten, um die Ernährung Ihrer Kunden zu unterstützen.

Nestlé factory, Vevey/ CH, ca. 189 © Nestlé S.A.

Wachstum basiert auf immer mehr Lebensmittelprodukten

Um die neue Branche auszubauen, hat Nestlé in den letzten Jahren mehrere Unternehmen im Bereich der Ernährungsgesundheit aufgekauft. Die letzten Übernahmen bis jetzt: The Better Health Company, der Hauptproduzent von Nahrungsergänzungsmitteln in Neuseeland, und Puravida, ein brasilianisches Unternehmen, das auf Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel auf Pflanzenbasis spezialisiert ist. Anfang des Jahres, im Februar, hat das Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung an Orgain erworben, einer kalifornischen Firma, die Puder, trinkfertige Getränke und Proteinriegel produziert – es ist die dritte Akquisition von Nestlé Health Science in den USA in weniger als einem Jahr! Im selben Monat schloss Nestlé den Erwerb von Vital Proteins ab, einem Hersteller von Nahrungsmitteln, Getränken und Nahrungsergänzungsmitteln auf Kollagenbasis, der seinen Sitz in Chicago hat. Im letzten Jahr kaufte die Gruppe ausserdem das amerikanische Unternehmen Nuun, das als Marktführer der funktionalen Hydratation angesehen wird und Elektrolyten-Brausetabletten mit geringem Zuckergehalt produziert. Mit anderen Worten, Nestlé hat sein Sortiment an Ernährungsprodukten in der ganzen Welt ausgebaut und sich dabei die beliebtesten Marken gesichert – Marken, die bald auch in den Regalen Ihrer Apotheke stehen könnten.

Eine aktive Beteiligung an der medizinischen Forschung

Nestlé Health Science stärkt nicht nur seine Position in der Branche der Nahrungsergänzungsmittel, sondern ist auch aktiv an mehreren Programmen der medizinischen Forschung beteiligt. Am 18. Juli kündigte das Unternehmen an, dass es einen Kooperationsvertrag mit dem französischen Biotech-Unternehmen Enterome abgeschlossen hat, für die Entwicklung neuer Behandlungen für Lebensmittelallergien – insbesondere für Erdnussallergien – und entzündliche Darmerkrankungen. „Dank dieser Zusammenarbeit arbeiten wir auf neue Therapien für diese beiden Krankheiten hin, bei denen die Medizin noch nicht alle Bedürfnisse erfüllt“, erklärte Hans-Juergen Woerle, der wissenschaftliche und medizinische Leiter von Nestlé Health Science. Die beiden Unternehmen arbeiten aktuell an einer experimentellen Behandlung namens EB1010, einem wirkungsvollen lokalen Induktor der entzündungshemmenden Reaktionen im menschlichen Körper. Klinische Studien sind ab 2023 geplant. Nestlé hat bereits über 38 Millionen Franken in dieses Projekt investiert. Übrigens ist NHSc seit dem Kauf von Aimmune Therapeutics, der Oktober 2020 abgeschlossen wurde, bereits glücklicher Eigentümer von PALFORZIA, dem ersten Medikament, das zur Behandlung von Erdnussallergien zugelassen und von diesem Labor entwickelt wurde.

Anfang Juli ist NHSc ausserdem eine Partnerschaft mit Perseo Pharma, ebenfalls aus der Schweiz, eingegangen: die beiden Firmen wollen zusammen neue Therapien entwickeln, um Enzymmangel bei Krankheiten des Verdauungstraktes zu behandeln. Eine weitere bemerkenswerte Initiative der Gruppe: der Start einer vollständig virtuellen Studie (auf Distanz) in Quebec, um die Wirksamkeit eines ketogenen Nahrungsergänzungsmittels bei der Reduzierung der Anzahl, der Intensität und der Dauer von Migräneanfällen zu erforschen. Nicht nur dürfte diese Studie zur Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten für Migränepatienten führen, die Gruppe bereitet damit auch den Weg für besser zugänglichere und praktischere klinische Studien zur Ernährung, sowohl für das medizinische Personal als auch für die Teilnehmer.

Zusammengefasst kann man also sagen, dass die Gesundheitsabteilung von Nestlé das schlechte Image der stark zucker- und fetthaltigen Lebensmittelprodukte des Unternehmens wohl in einigen Hinsichten ausgleichen kann.

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