Freitag, März 29, 2024
 

Klinische Forschung: Patientinnen und Patienten erhalten mehr Mitsprache

Medienmitteilung – Seit 2016 finanziert der Schweizerische Nationalfonds klinische Studien zu unzureichend erforschten Themen in der Medizin. Zum ersten Mal hat er jetzt Vertreterinnen und Vertreter der Patienten und der Bevölkerung in die Evaluation einbezogen. Ein Erfolg.

Um medizinische Fragen zu beantworten, die für die Gesellschaft wichtig sind, aber für die Industrie keine Priorität haben, gibt es das Programm Investigator Initiated Clinical Trials (IICT) des Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Zum ersten Mal waren Patientinnen und Patienten in der Evaluation der Fördergesuche vertreten. «Wir unterstützen die patientenorientierte Forschung und arbeiten eng mit der von uns initiierten nationalen Organisation, der SCTO, zusammen», sagt Deborah Studer, Leiterin des IICT-Programms. «Dass wir Patientinnen und Patienten, die die Hauptbetroffenen sind, in die Projektauswahl einbeziehen, ist daher ein logischer Schritt.» Mittels einer Ausschreibung suchte der SNF Ende 2020 nach Kandidatinnen und Kandidaten für diese Zusammenarbeit. Die vier ausgewählten Personen verfügen alle über langjährige Erfahrung in der Interessenvertretung von Patientinnen und Patienten sowie im Dialog zwischen Gesellschaft und Forschung:

  • Larisa Aragon Castro, 48, Vizepräsidentin des Project Management Institute Switzerland, Mitglied des Vorstands der European Patients‘ Academy on Therapeutic Innovation (EUPATI)
  • Chantal Britt, 52, Kommunikationsverantwortliche des 3R Kompetenzzentrum Schweiz, Gründerin und Präsidentin des Vereins Long Covid Schweiz
  • David Haerry, 60, Generalsekretär der Swiss Academic Foundation for Education in Infectious Diseases (SAFE-ID), Gründer und Präsident des Positivrats Schweiz (Interessenvertretung für Menschen mit HIV).
  • Olivier Menzel, 46, Leiter Strategische Partnerschaften im Health 2030 Genome Center, Gründer und Präsident der Stiftung BLACKSWAN (Stiftung für die Forschung zu seltenen Krankheiten)

Die Stimme der Patientinnen und Patienten

Welche Rolle spielen diese Vertreterinnen und Vertreter der Öffentlichkeit im internationalen Evaluationsgremium, in dem klinische Forschung und Biostatistik sonst unter sich sind? Sie stellen sicher, dass die eingereichten Projekte die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten angemessen berücksichtigen. «Zu oft werden diese als Objekte gesehen. Wir geben ihnen eine Stimme und ein Mitspracherecht», sagt Larisa Aragon Castro. David Haerry stimmt zu: «Die Öffentlichkeit hat manchmal andere Erwartungen als Forschende. Indem wir diese Perspektive einbringen, tragen wir zur Relevanz der Forschung bei. Wissenschaftlich exzellente Förderungsgesuche waren übrigens in der Regel auch in Bezug auf die Patientenbeteiligung sehr gut.» Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass der Einbezug der Öffentlichkeit die Qualität und Relevanz der durchgeführten Studien verbessert. Mit der erfolgreichen Durchführung dieses Pilotprojekts hofft der SNF dazu beizutragen, dass die Schweiz in diesem Gebiet aufholen kann und dass der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gestärkt wird. «Die Ansichten der vier Vertreterinnen und Vertreter waren eine sehr gute Ergänzung zu denen der wissenschaftlichen Mitglieder», sagte Matthias Peter, Vorsitzender der Abteilung Biologie und Medizin des Forschungsrats, der die Evaluationssitzung leitete. «Ich war beeindruckt von ihrem Wissen über die aktuelle Forschung auf der ganzen Welt und ihrer Vorbereitung auf die Evaluationstätigkeit.» Olivier Menzel ist nicht überrascht von dieser Einschätzung: «Gerade im Bereich der seltenen Krankheiten werden Patientinnen und Patienten zunehmend einbezogen und zu Fachpersonen ihrer eigenen Krankheit. Es fasziniert mich zu sehen, welche Ideen sie einbringen und welche Initiativen sie auf die Beine stellen.»

Fortsetzung des Pilotprojekts

Durch den Einbezug von Patientinnen und Patienten ist es zudem möglich, mehr Freiwillige zur Teilnahme an Studien zu ermutigen, was letztlich ihre Erfolgschancen erhöht. «Patientenorganisationen sind sehr gut vernetzt und können so zur Rekrutierung beitragen», sagt Matthias Peter. «Sie spielen auch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Forschungsergebnisse direkt an die Betroffenen zu kommunizieren.» «Die Zusammenarbeit zwischen Öffentlichkeit und Forschenden sollte nicht als eine mühselige Aufgabe gesehen werden, sondern als eine Investition», sagt Chantal Britt. „Sie stellt sicher, dass öffentliche Gelder sinnvoll eingesetzt werden und dass die Forschung den echten Bedürfnissen entspricht.» Aufgrund des Erfolgs dieses Pilotprojekts wird der SNF die Zusammenarbeit mit den vier Vertreterinnen und Vertretern im IICT-Programm fortsetzen. Im Weiteren wird er die Möglichkeit prüfen, den Einbezug der Öffentlichkeit auch auf andere SNF-Förderinstrumente zu erweitern.

Sieben neue klinische Studien bewilligt

Aufgrund der IICT-Ausschreibung 2020 erhielt der SNF 34 Gesuche, von denen 31 die Teilnahmebedingungen erfüllten. Sieben Projekte werden jetzt mit insgesamt 12,5 Mio. Franken gefördert.

Guido Beldi, Inselspital BernKommunikationsprotokoll zur Unterstützung des Informationsaustauschs während chirurgischen Eingriffen, um die Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten zu reduzieren

Noémie Boillat Blanco, CHUV LausanneReduzierte Verschreibung von Antibiotika bei Patientinnen und Patienten, die mit Verdacht auf Lungenentzündung in die Notaufnahme kommen, ohne deren Zustand zu verschlechtern

Annemarie Hübers, Universitätsspital ZürichTest eines neuen Medikaments gegen Amyotrophe Lateralsklerose (neurodegenerative Motoneuronenerkrankung bei Erwachsenen)

Rahel Naef Brand, Universität ZürichProgramm zur Verbesserung der Kommunikation und Unterstützung, die Familienmitglieder von schwerkranken Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation erhalten.

Marios-Nikos Psychogios, Universitätsspital BaselPrüfung des Einflusses der mechanischen Thrombektomie bei Schlaganfall auf den Grad der Behinderung bei täglichen Aktivitäten

Hans-Georg Wirsching, Universitätsspital ZürichErforschung der Wirksamkeit einer Kombinationstherapie als Ergänzung zur Standard-Chemotherapie bei der Behandlung von Glioblastomen (Hirntumore), um die Überlebenschancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern

Patrick Wüthrich, Inselspital BernKörperliche und ernährungstechnische Vorbereitung auf grössere Operationen bei gebrechlichen älteren Patientinnen und Patienten zur Reduzierung von Komplikationen

MedienmitteilungSchweizerischer Nationalfonds

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